2008-02-27
Offener Brief an Baden-Württembergs Kultusminister Rau
auch wenn ich davon ausgehe, dass Sie schon tausende von Zuschriften erhalten haben werden, möchte ich mich auf diese Weise an Sie wenden, in der Hoffnung, dass diese Zeilen Sie erreichen.
Als betroffene Mutter habe ich vorgestern interessiert die Landtagsdebatte über das Schulsystem in Baden-Württemberg verfolgt und war wirklich erstaunt, über die unterschiedlichen Realitäten, in denen wir leben.
Wir haben drei Söhne die auf ein Gymnasium gehen in den Klassenstufen 5,7 und 9 (also zwei Mal G8 und einmal G9).
Ohne mich loben zu wollen, muss ich feststellen, dass vielleicht alle unsere Kinder, zumindest aber die beiden Jüngeren nicht auf dem Gymnasium wären, hätte ich nicht unendlich viel Zeit in die "Beschulung" zuhause investiert - wäre ich z.B. alleinerziehend und / oder Vollzeit berufstätig.
Sie könnten jetzt natürlich denken: "Wenn sie so viel Zeit investieren musste, sind die Kinder offensichtlich nicht intelligent genug und sollten nicht auf das Gymnasium".
Das ist nun aber nicht der Fall: meine Jungs sind intelligent, nur nicht sehr strukturiert, wie die Mehrzahl der Jungs im Vergleich zu den Mädchen.
Leider kann schon nicht mehr in der Grundschule auf individuelle Förderung eingegangen werden, so dass Kinder, die nicht "stromlinienförmig" sind, werden sie nicht von zuhause aus gefördert, keine Chance haben auf eine Gymnasialempfehlung. Ich kann Ihnen ziemlich sicher im ersten Elternabend der ersten Klasse, wenn ich die Elternschaft sehe, bereits sagen, welche Kinder am Ende der vierten Klasse eine "Bildungschance" haben und welche nicht. Und nicht etwa deshalb weil Letztere weniger intelligent wären als der Rest der Klasse, sondern weil das Elternhaus sie nicht unterstützen kann oder will.
Hat nun ein Kind tatsächlich nach einer stressigen 4. Klasse, in der bei vielen Schüler/innen bereits heftig in Nachhilfe investiert wird (soweit der Geldbeutel es hergibt), die Gymnasialempfehlung erhalten, so fragen sich - insb. Alleinerziehende, aber auch immer mehr Eltern, die keine akademische Ausbildung haben oder beide berufstätig sind, ob sie ihr Kind auf das Gymnasium schicken - weil sie - die Eltern - nicht wissen, ob sie genügend Zeit oder Geld oder Grips haben, um ihre Kinder so unterstützen zu können, dass sie das Gymnasium schaffen...
Und diese Eltern stellen sich zu Recht diese Frage!
In der 5. Klasse unseres 2. Sohnes haben die Elternsprecher eine Umfrage durchgeführt, bei der ein täglicher Elterneinsatz von 30 - 60 Minuten festgestellt wurde; vor Klassenarbeiten potenziert sich dieser Aufwand!
Insbesondere die Sprachen machen den Kleinen das Leben schwer. Bei uns fängt man nach wie vor mit 2 Fremdsprachen (Englisch/ Latein oder Englisch Französisch) an. Viele Eltern wählen die Kombination Englisch / Latein, da bei Latein der Transfer des Schreibens wegfällt.
Während unser 7. Klässer im G 8 noch mit dem Lateinbuch für das G9 arbeitet(e), hat unser 5. Klässer ein neues, auf das G8 zugeschnittenes Lateinbuch. Dort durften die lieben Kleinen sich in der 2. Lektion bereits mit 3 Konjugationen und 5 Deklinationen beschäftigen; die Texte waren ab der 2. Lektion länger als die seines 2 Jahre älteren Bruder...
Auf dem 1. Elternabend schimpfte ein Vater, dass für dieses Unterrichtswerk wohl als Minimalvoraussetzung das kleine Latinum eines Elternteil vonnöten sei, während sich ein paar Eltern verzweifelt als "Nichtlateiner" outeten...
Es trifft an unserer Schule (die nicht als Eliteschule gilt) tatsächlich zu, dass oft wenigstens ein Elternteil studiert hat, dass es wenig Kinder aus "bildungsfernen" Schichten gibt - die sind nämlich bis zum diesem Zeitpunkt schon aussortiert.
Wenn Sie nun gestern wieder betonten, dass das baden-württembergische Schulsystem durchlässig sei, dann muss ich Sie fragen, in welche Richtung?
Es ist wohl wahr, dass die Kinder ganz schnell vom Gymnasium auf die Realschule wechseln können - egal in welcher Klassenstufe, doch ein Wechsel von der Realschule auf das Gymnasium ist, einmal ins dreigliedrige Schulsystem einsortiert - dank G8 - erst nach der 10 Klasse wieder möglich und dann sinnvollerweise nur auf ein technisches- oder Wirtschaftsgymnasium, was bedeutet, dass wir wieder bei 13 Jahren bis zum Abitur sind...
Der bereits anglaufene Trend, Kinder mit Gymnasialempfehlung eher auf die Realschule zu schicken, ihnen mehr Kindheit und den Eltern mehr Zeit zu lassen, wird sich drastisch verstärken!
Das G8 hat die Milieufrage im Hinblick auf Bildungskarrieren extrem zugespitzt!!!
Jetzt frage ich Sie: Brauchen wir schon allein durch die demografische Entwicklung nicht jetzt schon händeringend möglichst viele gut ausgebildete junge Menschen? Warum stellen Sie dann mit dem G8 (so wie es momentan läuft) die Weichen in die Richtung, dass hauptsächlich Kinder der Bildungsbürger an dieser Schullaufbahn partiziperen können? Und wenn Sie mir entgegnen: "Die anderen können ja über die Realschulschule und Aufbaugymnasien auch zum Abitur kommen" - dann frage ich Sie: Wenn hier ein Jahr Schulzeit länger in Kauf genommen wird, wozu dann an den Gymnasien die Reduzierung von 9 auf 8 Jahren?
Das G8, wie ich es momentan in BA-WÜ erlebe, ist weder Kindern, noch Lehrern noch Eltern in dieser Form zuzumuten:
Die Lehrer, v.a. in den Sprachen, kürzen den Stoff um die vertiefenden Elemente, die Eltern versuchen am Nachmittag, am Wochenende und in den Ferien die Vertiefung, die in der Schule nur noch sehr bedingt stattfindet, zu leisten, und die Schüler haben letztlich überhaupt keine Freiräume mehr, in denen sie wirkliche Freizeit haben, in der z.B. soziales Lernen / sozialer Umgang eingeübt werden könnte...
Wenn Sie dieses vermaledeite eine Jahr einsparen wollen (wozu das gut sein soll, ist ohnehin nicht klar), dann müssen Sie auch die Voraussetzungen schaffen:
Das G8 ist dann nur in einer Ganztagesschule möglich, in der durch mehr Unterricht auch wieder Vertiefung stattfindet, in der die Kinder, wenn sie nachmittags nach Hause kommen, größtenteils fertig sind mit der Hausarbeit, in der Eltern entlastet werden und in der v.a. auch Schülern eine Chance gegeben wird, deren Eltern das "Coachingprogramm" nicht leisten können!
Das kostet Geld und spart nicht etwa Geld ein, wie bei einem Jahr Schulverkürzung ohne Nachmittagsunterricht! Aber: von nix kommt nix!!!
Ich war eigentlich immer gegen die Verlängerung der Grundschule, Gesamtschulen und "Gleichmacherei" in der Schulpolitik, aber die Praxis vor Ort lehrte mich umzudenken:
Ich finde die Chancenlosigkeit breiter Bevölkerungsschichten auf gute Bildung UNERTRÄGLICH!!!
Es kann doch nicht sein, dass Bildungschancen von Elternbildung, Elterngeldbeutel und Elternzeit abhängen! Aber genau so ist die Praxis!!!
Wir als Gesellschaft können es uns nicht leisten, so viel "Bildungs-Potential" nicht optimal zu fördern! Um das Überleben unserer (alternden) Gesellschaft zu sichern, müsste der größte Ausgabentopf für Bildung sein.
Und wenn wir alle Bevölkerungsschichten erreichen wollen, geht das nur über Ganztagsschulen! Auch diese lehnte ich immer grundsätzlich ab, aber ich kann meine Augen nicht verschließen, vor Eltern, die ihrer Erziehungsaufgabe nicht gerecht werden, die über Arbeitslosigkeit und Hartz IV keinem geregelten Tagesablauf mehr nachgehen können, vor überforderten Müttern, deren Partner sich längst absetzten und die jetzt mit ihren Kindern schauen müssen, wie sie klarkommen... Wenn sich für deren Kinder etwas verbessern soll, sie nicht in der gleichen Misere wie ihre Eltern verharren sollen, dann müssen in einem strukturierten Tagesablauf die Chance auf Bildung haben - und das geht nur mit Ganztagsschulen!
Aus diesen Erfahrungen heraus, die unendlich viele Eltern auch machen, aus der Verantwortung heraus, auch bildungsferne Schichten an Bildung teilnehmen zu lassen, aus der Sorge heraus, wie eine alternde Gesellschaft aussehen wird, die nicht genügend Junge,v.a. gut ausgebildete Junge hat, die die Arbeit übernehmen sollen, bitte ich Sie und die CDU in Baden Württemberg als regierende Kraft, Ihre Einstellungen zur Bildungspolitik zu überdenken und zu ändern!
2007-06-28
12. Akt III - b
Pädagogische Sternstunden und vertretungstechnische Meisterleistungen - Akt III - b
Doch nun zu der inhaltlichen Seite des Unterrichts von Frau Nie-Nix-Gut:
Zunächst einmal – und das war durchaus begrüßenswert – hatte Frau Nie-Nix-Gut sehr hohe Ansprüche, die sie versuchte umzusetzen nach den Unterrichtsausfällen war ja auch eine Menge nachzuholen). Das Problem war, dass sie sich nicht groß darum kümmerte, was in der Klasse vorauszusetzen war. Nachdem sie in einem Merkblatt zur Aufsatzvorbereitung nur lateinische Begriffe wie Nomen, Adjektiv, Verb… benutzte, machte ich sie darauf aufmerksam, dass diese Begriffe noch nicht als „gelernt“, höchstens als „erwähnt“ vorauszusetzen seien und dass sie nicht davon ausgehen könne, dass alle Eltern diese Begrifflichkeiten kennen. „Da muss ich mal in dem Regelheft der Kinder nachschauen, ob da was drinssteht!“ Gute Idee, tun Sie das, Frau Nie-Nix-Gut!
Ihr Unterricht war wie eine kalte Dusche nach dem Larifarideutschunterricht vom ersten halben Jahr, aber die Klasse hatte eigentlich ein gutes Niveau gehabt die ersten beiden Jahre, so dass ihr Anspruch sicher kein Problem gewesen wäre – hätte sie nicht außerdem so gnadenlos benotet!
Ein Beispiel: In einem Grammatiktest über das Imperfekt wollte sie zum Einstieg wissen, was das Imperfekt beschreibe. Als Antwort wollte sie ausschließlich ihre Vorformulierung hören: „Ein abgeschlossenes Ereignis“. Besonders griffig für Drittklässer, oder? Mein Sohn schrieb (unelegant aber richtig): „Das was schon war“ – und bekam für diese inhaltlich richtige Aussage 0 Punkte! Ich konnte das nicht fassen, buchte – mal wieder einen - Termin und wollte über die Bepunktung aufgeklärt werden. Frau Nie-Nix-Gut hätte sich lange überlegt, ob sie dafür 0 oder einen halben Punkt geben sollte, aber sie hätten in der Klasse lange über Regeln für das Imperfekt (sie meinte damit ihre Formulierungen) geredet, und die Schüler sollten dies auch auswendig lernen, deshalb habe sie sich entschlossen, keinen Punkt zu geben. Ich entgegnete: „Selbst wenn ein Kind es schafft, diese abstrakte Formulierung auswendig zu lernen, und selbst wenn es diese Formulierung noch an die richtige Stelle im Lückentext einsetzt, können Sie immer noch nicht beurteilen, ob es verstanden hat, was es schrieb. Den Sachverhalt in eigenen Worten niederzuschreiben ist die größere Transferleistung und die benoten Sie mit 0 Punkten!“ – Schweigen im Walde…
Auffällig an ihrer Benotung war auch, dass just jene „schwarzen, unruhigen Schafe“, unabhängig welche Noten sie zuvor hatten, meistens ziemlich schlecht bei Frau Nie-Nix-Gut wegkamen, während unauffällige oder stromlinienförmigere Kinder tendenziell eher gut dastanden.
In ihrem ersten Aufsatz wurde das offensichtlich: Dieser war eine Personenbeschreibung. Für Drittklässer nicht ganz einfach, für meinen Sohn schon erst recht nicht, denn Aufsatzschreiben ist nicht so sein Ding… So übten wir nach den Vorgaben von Frau Nie-Nix-Gut ausführlich Satzumstellungen, Verwendung möglichst unterschiedlicher Verben, etc. Heraus kam eine 3-. Nun, für eine Eins hielt ich diesen Aufsatz auch nicht, aber eigentlich hatte mein Sohn doch im Wesentlichen die Dinge beachtet, die zu beachten waren. Ich durfte mir den Einseraufsatz (1-) eines Mitschülers zum Vergleich ausborgen, ein lieber netter Junge, brav und unauffällig und schon lange Klassenbester. Als ich nach dem ersten Durchlesen keine großen Unterschiede feststellen konnte, machte ich mir die Mühe einer grammatikalischen Analyse nach den Vorgaben, wie sie Frau Nie-Nix-Gut haben wollte – beide Aufsätze standen sich (außer in den 2 Noten Unterschied) in Nichts nach! So ging ich erneut zu Frau Nie-Nix-Gut, gab ihr ununterschrieben den Aufsatz meines Sohnes zurück und bat sie, die beiden von mir analysierten Aufsätze nochmals durchzulesen, vielleicht auch zusammen mit einer anderen Kollegin, denn im Vergleich wäre ich mit der Note nicht einverstanden und bat sie, sich mit mir nach den Osterferien diesbezüglich in Verbindung zu setzen. Sie war natürlich in einem Dilemma: Den einen Aufsatz schlechter benoten, darf sie nicht, den meines Sohnes besser zu benoten ist heikel, denn wenn das herauskäme, stünden 10 weitere Schüler da die ebenfalls… Bliebe noch, den gesamten Aufsatz zu wiederholen, doch dafür reichte die Zeit nicht mehr und wäre auch den Schülern nicht zu gönnen gewesen… Lange Rede, kurzer Sinn, sie hatte sich die beiden Aufsätze mit einer anderen Lehrerin angeschaut und sich entschlossen, die Note nicht zu verändern. Sie gab mir darüber nicht Bescheid, ich erfuhr es auf Nachfrage beiläufig bei meinem Sohn. Bei dem erbetenen neuerlichen Treffen gab sie zu, dass die 1- keine 1- und die 3- keine 3- sei, dass die beiden Aufsätze sich notenmäßig annäherten. Ich gab ihr daraufhin zu verstehen, dass ich eine Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Zeugnisnote erwarte…
Wie gesagt, wir hatten stark den Eindruck, dass sich auch das Schülerverhalten in den Noten wieder spiegelte, was Frau Nie-Nix-Gut natürlich kategorisch abstritt.
Es war aber auch in manchen Teilen fehlende fachliche Kompetenz, v.a. beim Aufsatzkorrigieren bei ihr festzustellen. Zwei Beispiele: Sie strich in einem Aufsatz einen Grammatikfehler an wo keiner war, bzw. bewertete die falsche Form als richtig (was natürlich unter dem Stichwort „grammatikalisch richtige Sätze“ in die Benotung einging), beim 2. Aufsatz bemängelte sie ein Stilmittel, das zur Spannungssteigerung diente, forderte aber im nächsten Atemzug Spannungssteigerung ein…
Es kostete so viel Energie, sich ständig auf die Weise mit Frau Nie-Nix-Gut auseinanderzusetzen (ich hätte es ja auch sein lassen können, aber da ich „vom Fach bin“, ging es mir dermaßen gegen den Strich, dass eine noch nicht ausgebildete Lehrerin unsere Kinder / meinen Sohn auf die Art und Weise benoten darf, selber jedoch pädagogisch wie auch immer wieder fachlich völlig daneben greift – und dass uns die Schulbehörde eine solche, nicht ausgebildete Kraft zumutet!), so dass auch wir konkret mit dem Gedanken spielten, unseren Sohn auf eine andere Schule wechseln zu lassen…
Webkatalog
2007-06-27
11. Akt III - a
Wie würden Sie den Satz „Wir haben eine Lehrerin für Ihre Klasse gefunden!“ verstehen? Nun, ich verstand ihn so, dass zumindest bis Schuljahresende, vielleicht sogar auch bis Ende der 4. Klasse eine Lehrerin gefunden wurde, die die Hauptfächer, sowie die Klassenleiteraufgaben, die durch den Ausfall von Frau Mausgrau-Unsichtbar vertreten oder nicht mehr wahrgenommen wurden, dafür zuständig sein würde. Denn Ähnliches hatte ich bei meinem Ältesten erlebt, bei dem in der 1. Klasse die Lehrerin wegen Krankheit ebenfalls nach den Herbstferien ausfiel, nach Chaos und jeder Menge neuer Feuerwehrlehrerinnen aber wenigstens ab dem neuen Halbjahr ein neues männliches(!) Exemplar von Lehrkörper die Klasse eineinhalb Jahre übernahm - und dann wieder ging, dorthin, wo er einen vollen Vertrag bekam…
Doch schon der erste Schultag des neuen Halbjahres riss all die, die Hoffnung auf ein einigermaßen „normales“ 2. Halbjahr hatten, aus ihren Träumen: Die neue Lehrerin war nur für 11 Stunden an unserer Schule, unterrichtete in unserer Klasse nur Deutsch und sollte mit der Rektorin zusammen Klassenleiterfunktionen übernehmen. Insgesamt hatten unsere Kinder 7 verschiedene Lehrerinnen, in jedem Fach eine andere und in Kunst zwei – wow das ist doch die beste Vorbereitung für Drittklässer auf die weiterführende Schule, nicht wahr?!
Doch wer war sie nun, diese neue Lehrerin, die uns die Schulbehörde schickte? Sie hieß Frau Nie-Nix-Gut, erschien nicht wesentlich älter als Frau Rühr-mich-nicht-an und wartete – ebenfalls wie diese - auf ihr Referendariat und besaß keinerlei pädagogisch-praktisches Handwerkszeug, dafür jedoch die untrügliche pädagogische Intuition, die Kinder mit „Lautstärke“ und Strafarbeiten zu motivieren… Mit Frau Nie-Nix-Gut hatten wir also – dank der Schulbehörde – den goldenen Griff getan!
Wie Sie vielleicht noch aus eigener Erfahrung wissen, werden neue Lehrer/innen erst einmal von den Kindern getestet, um herauszufinden, wo hier die Grenzen liegen – so auch bei Frau Nie-Nix-Gut.
Im Grenzen testen stellen sich normalerweise die Jungen als „beharrlicher“ heraus, während die Mädchen eher unauffälliger „aus der Tiefe des Raums heraus“ wirken. Das hatte schnell zur Folge, dass insbesondere verschiedene Jungs auf der „schwarzen Liste“ standen. Diese wurden regelmäßig mit Strafarbeiten bedacht, deren Schrift auch oft noch benotet wurde in einer Weise, dass es bei anderen Kindern im Vergleich als Schriftnoten Siebener, Achter und Neuner hätte geben müssen.
Es folgten auch Anrufe der Lehrerin (die selbst wiederum bei den Eltern nicht ihre Telefonnummer hinterließ) die z.B. zum Inhalt hatten: “Ihr Sohn schwätzt momentan sehr mit seinen Nachbarn, - ist sehr unaufmerksam, - macht seine Schulaufgaben unvollständig oder unordentlich –vielleicht könnten Sie ihm mal ins Gewissen reden“…
Wenn ich in solchen Fällen schlagfertiger wäre, hätte ich beim wiederholten Anruf wahrscheinlich geantwortet: „Mein Sohn hilft mir nicht nach meinen Vorstellungen bei der Haus- und Gartenarbeit – könnten Sie, Frau Nie-Nix-Gut, vielleicht mal mit ihm reden?“ – aber so was fällt mir leider erst immer hinterher ein...
Verflixt noch mal, es ist doch nicht mein Job, die ich sowieso Diktate, Aufsätze, kleines Einmaleins daheim in Häppchen serviere, in pädagoisch interessante Einheiten umzusetzen versuche, mich auch noch um den Unterricht zu kümmern, wenn es um solche berufsspezifischen Angelegenheiten geht!
Es stellte sich schnell heraus, dass Frau Nie-Nix-Gut außer Strafarbeiten und Schreien, Verbote keine Ideen hatte, wie sie mit der Klasse arbeiten konnte.
Bei einem solchen Unterrichtsstil teilt sich die Klasse erfahrungsgemäß in zwei Gruppen: die, die den Kopf einziehen und versuchen, möglichst unauffällig zu scheinen und diejenigen, die das nicht tun, weil sie sich nach kurzer Zeit ohnehin als Sündenböcke begreifen – und es dann sind und bleiben. Besonders auf Christoph hatte sich Frau Nie-Nix-Gut „eingeschossen“, ihn, der ein aufgeweckter freundlicher Junge (eben kein unauffälliges Mädchen) ist, bezeichnete Frau Nie-Nix-Gut der Mutter gegenüber als „verhaltensauffällig“...
Sowohl bei ihm, als auch bei den anderen „schwarzen Schafen“ hatte man den Eindruck, dass sich das Verhalten nicht nur in Strafarbeiten, sondern auch in den Noten niederschlug. Doch zu der inhaltlichen Seite des Unterrichts von Frau Nie-Nix-Gut komme ich später, hier erst mal noch ein Beispiel ihrer pädagogischen Qualitäten:
Die Klasse hatte zur 2. Stunde Schule, sollte in eben der 2. Stunde bei Frau Nie-Nix-Gut ein Diktat schreiben, ging – angeblich entgegen den Richtlinien – aber schon vor dem Klingeln in das Klassenzimmer. Dort spielten 6 Jungs und ein Mädchen – sicher entgegen den Richtlinien – Fußball. Es passierte nichts und irgendwann hallte ein Schrei „Sie kommt“ durch den Raum, alle setzten sich, ohne zu vergessen, den Ball vorher auf seinen Platz zu legen. Frau Nie-Nix-Gut schritt in das Klassenzimmer und jetzt hatten, wie das mittlerweile in der Klasse eingebürgert war,die Petzen ihren Auftritt und brachten das Fußballspielen bei Frau Nie-Nix-Gut an. „Wer war das“, fragte Frau Nie-Nix-Gut. Die 6 Jungs meldeten sich, das Mädchen nicht. „Das gibt eine saftige Strafarbeit“, sagte Frau Nie-Nix-Gut während sie die Namen der Kinder aufschrieb. Nach diesem Vorspiel folgte das Diktat – man kann sich ausmalen, wie das bei den Betroffenen ausfiel, aufgewühlt wie sie waren…
Nach dem Diktat meldeten sich Mitschüler und wiesen darauf hin, dass das eine Mädchen auch noch mitgemacht hatte. Das Mädchen jedoch leugnete standhaft und so entschied Frau Nie-Nix-Gut, dass die aufgeschriebenen Jungen, nicht aber das Mädchen, die Strafarbeit machen mussten – sie hat offensichtlich seherische Fähigkeiten, denn dabei war sie schließlich nicht.
Drei Dinge hat mein Sohn aus dieser Episode gelernt:
- 1. Petzen ist gut, denn es macht dich beim Lehrer beliebt, lässt andere „alt“ aussehen und wird auch nicht bestraft.
- 2. Lügen kann Vorteile mit sich bringen, denn wenn es gut geht, brauche ich das Verbockte nicht auszubaden.
- 3. Mädchen werden sowieso anders behandelt als Jungs.
(LINK: Böse Buben, brave Mädchen)
Die Eltern der betroffenen Kinder waren sichtlich erbost über dieses Vorgehen, ließen diese dennoch die Strafarbeit schreiben (die benotet werden sollte), schrieben jeweils ihrerseits einen „Protestbrief“ – wir würden heute noch auf eine Reaktion warten, wenn wir nicht von uns aus zu Frau Nie-Nix-Gut gegangen wären – eigentlich doch ein Gebot des Anstands, sich mit den Eltern in Verbindung zu setzen – oder bin ich da angsichts der Jugend von Frau Nie-Nix-Gut von gestern?!
Webkatalog
2007-06-26
10. Akt II -c
Doch da, plötzlich, tauchte, unbemerkt von fast allen, kurz vor den Weihnachtsferien ein Silberstreif am Horizont auf: Eine neu zugezogene Grundschullehrerin, die die ganze Zeit im Mutterschutz war, fragte bei ihrer Nachbarin - einer Mutter unserer Klasse - an, wie das hier in Altrip so sei, ob Lehrer an der Grundschule gebraucht würden…
Die besagte Lehrerin meldete sich bei der Rektorin Frau L´école-c´est-moi um ihren schnellen Einsatz in der für alle Beteiligten prekären Situation anzubieten. Griff die Rektorin sofort zum Hörer, um mit der vorgesetzten Schulbehörde zu reden? Setzte sie alle Hebel in Bewegung, um diesen Strohhalm zu ergreifen? Hm, was es bedeutet, alle Hebel in Bewegung zu setzen, ist sicherlich eine Definitionssache; was die Rektorin Frau L´école-c´est-moi darunter verstand, war, die potentielle Lehrerin darauf hinzuweisen, dass sie sich an die vorgesetzte Schulbehörde wenden solle…
Das versuchte diese Lehrerin dann auch, doch die Vorboten der Weihnachtsferien hatten offensichtlich schon die vorgesetzte Schulbehörde erreicht und irgendwie ist es ihr nicht gelungen, zu den entscheidenten Beamten vorzudringen (oder waren es doch eher bürokratische Hürden, die der Amtsschimmel nicht schaffte?). So erlosch der Silberstreif ohne dass es überhaupt von jemandem, v.a. von der Mehrheit der Elternschaft, bemerkt worden wäre im Nirwana von Schulferien und Bürokratendschungel. Und weiter ging es wie zuvor.
Das Befremden mancher Eltern ob der schulischen Situation wuchs immer mehr und diese forderten die Elternsprecherin auf, einen Elternabend mit der Rektorin Frau L´école-c´est-moi einzuberufen (was die Eltern – und offensichtlich auch die Elternsprecherin- nicht wussten, war die Tatsache, dass ein Elternabend immer von dem Elternsprecher einberufen wird, auch durchaus ohne Lehrer/in, wenn´s denn sein muss).
Kurze Zeit später teilte die Elternsprecherin in einem von ihr verfassten Gedächtnisprotokoll des Gespräches mit, die Rektorin habe keine Zeit für einen solchen Elternabend. Dazu muss man anmerken, dass die Rektorin sehr wohl Zeit fand, in diesen Tagen einem Elternabend mit Pfarrer Gottlieb beizuwohnen, der alle Jahre wieder stattfindet, wegen dessen „individueller Unterrichtsmethoden“, den dieses Jahr von den Eltern aber so gut wie niemanden interessierte …
Auch deshalb wendeten sich die Eltern im Januar wieder an die Schulbehörde und fragten, ob diese einen Elternabend mit Rektorin veranlassen könnte. Die Beamtin zeigte sich erstaunt, dass noch keine Information an die Eltern weitergegeben wurde und gab bis Ende Januar Frist, wenn dann noch nichts passiert sei, sollten wir noch mal Bescheid geben. Ganz offensichtlich muss sich die Schulbehörde mit der Rektorin Frau L´école-c´est-moi in Verbindung gesetzt haben, denn diese kündigte „demnächst“ einen Elternabend an – aha!
Einige Anrufe bei der Schulbehörde später erhielten wir die befreiende Botschaft: „Wir haben eine Lehrerin für Ihre Klasse gefunden! Sie wird ab Anfang Februar eingesetzt!“ Ein Aufatmen ging durch die Reihen der Eltern, sie waren vorsichtig beruhigt, warteten auf den versprochenen Elternabend und hielten weiter still. So verging zwar mehr schlecht als recht die Zeit bis zum Halbjahreszeugnis, einige Male waberte auch das Gerücht durch die Sphäre, dass Frau Mausgrau-Unsichtbar wiederkäme, doch alle warteten auf das neue Halbjahr mit der neuen Lehrerin, die sicherlich alles zum Guten wenden würde…
Nach diesem doch hoch motivierenden ersten Halbjahr verließ das erste Kind dieser Klasse die Schule und wechselte auf eine private Grundschule in der nächstgelegenen Stadt. Die Mutter erzählte mir, bei dem Mädchen sei eine Teilleistungsschwäche festgestellt und sie sei mit dieser Klassensituation völlig überfordert. Sie habe über Wochen hinweg jede Nacht Alpträume wegen der Schule gehabt, so dass die Eltern handeln mussten. Da sie – nach allem, was bisher lief - an der hiesigen schulischen Situation keine Änderungen zum Positiven erwarteten, wählten sie den Schulwechsel, obwohl dieser jede Menge Fahrerei, Zeitaufwand und Kosten mit sich bringt. Doch der Schulwechsel hatte zumindest dies zum Ergebnis, dass die Alpträume nach einer Woche in der neuen Schule vorbei waren - und sie Akt III nicht miterleben musste …
9. Akt II b
In die Aera von Frau Rühr-mich-nicht-an fiel eine Sachkundearbeit der besonderen Art: In dieser Arbeit – sie handelte von Zug- und anderen Vögeln und hatte einen Stoffumfang von ca. 12 vollen Arbeitsblättern, wurden Antworten erwartet, die gar nicht abgefragt wurden. So reihte sich bei vielen Kindern ein rotes „Warum?“ nach dem anderen an den Korrekturrand. Manche Eltern durchschauten, dass die Fragen nicht zu den Antworten passten und wagten es, sich darüber zu beschweren. Auch ich schrieb einen Brief an Frau Rühr-mich-nicht-an, mit der Bitte, mir die Ansprüche der Arbeit zu erklären- keine Reaktion. So ging ich am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien in die Schule, um eine Antwort zu erhalten. Mit vor der Brust verschränkten Armen, den Blick nur nicht auf mich gerichtet, begegnete mir Frau Rühr-mich-nicht-an (ein zierliches Wesen, kaum größer als die zu unterrichtenden Kinder) und teilte mir mit, sie habe die Arbeit nicht konzipiert, das waren 2 Lehrerinnen des hiesigen Lehrkörpers (darunter die Rektorin Frau L´école-c´est-moi), sie habe sie nur korrigiert wie vorgesehen (und das noch eigentlich sehr positiv), sie könne nichts sonst darüber sagen. Wer konnte etwas dazu sagen? Nach den Weihnachtsferien kam ein Brief von der Rektorin Frau L´école-c´est-moi, die Arbeit werde noch mal durchgeschaut, und ggf. bei einzelnen Schülern korrigiert. Dabei blieb es – obwohl mir viele „Warum?“-korrigierte Schüler bekannt sind, wurde bei keinem die Note verändert…
Ansonsten – Funkstille von Seiten der Schulleitung…
Die Klasse hatte mittlerweile beinahe 3 Monate mit wechselnden Vertretungslehrern verbracht, von denen natürlich keiner eine Klassenleiterfunktion einnahm. So entwickelte sich das Klassenklima immer mehr zu einer eigenen Angelegenheit: Hänseln, Petzen, das Gesetz des Stärkeren setzten sich durch…
Über diese Entwicklung beunruhigt und über das Schweigen der Schulleitung befremdet liefen weiterhin die Drähte zur Schulbehörde heiß. Dort teilte man uns mit, vor Halbjahresende sei überhaupt nichts zu machen, da Frau Mausgrau-Unsichtbar ja nach wie vor nur kurzzeitig krankgeschrieben werde… Erst ab Februar (2. Halbjahr) gäbe es vielleicht die Möglichkeit, eine neue Lehrerin zu bekommen, falls Frau Mausgrau-Unsichtbar bis Februar nicht zurück sei. „Aber“, so versicherte man mir mit trauriger Stimme, „momentan ist der Lehrermarkt ja wie leergefegt, es gibt überhaupt keine Lehrkräfte. Sie können sich glücklich schätzen, nicht im Hinterland zu wohnen, denn da gehen die Lehrkräfte ja gar nicht gern hin. Überhaupt können Sie eigentlich froh sein, dass die vier dritten Klassen ihrer Schule nicht zusammengelegt wurden…“. Mir lag ja auf der Zunge zu erwiedern, das sei für die Kinder wohl das Beste gewesen! Außerdem schien es mir noch dunkel bekannt zu sein, dass Lehrer kraft ihres Amtseides hingeschickt werden können, wo der Staat sie haben will??? Im Übrigen wundert es mich nicht, dass in unserem Bundesland noch weniger Lehrer zu finden sind als anderswo: bei uns bekam man die ganze Zeit als frisch ausgebildeter Grundschullehrer höchstens ein Dreiviertel Deputat, oder Feuerwehrverträge, o.ä. während die Bundesländer um uns herum an den Landesgrenzen große Schilder aufstellten mit der Aufschrift: „Kommt alle zu uns, hier kriegt ihr volle Verträge mit Festanstellung“… Mehrere Grundschullehrer/innen habe ich auf die Weise kommen und v.a. wieder gehen sehen und es waren nicht die Schlechtesten darunter…
Webkatalog
2007-06-24
8. Akt II a
Frau Mausgrau-Unsichtbar wurde immer nur für maximal 3 - 4 Wochen krankgeschrieben. Auch ich weiß, dass ein Arzt heutzutage angehalten ist nur für kurze Zeit eine Krankschreibung auszustellen, doch das hat zur Folge, dass keine „feste Ersatzlehrerin“ angefordert, bzw. eingestellt werden kann. Ehrlich gesagt, kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, dass man mit dieser Diagnose über Monate hinweg nur für 3-4 Wochen eine Krankschreibung erhalten kann, wo doch klar ist, dass Schonung, Reha und Ähnliches anstehen…??!! Jedenfalls rief Frau Mausgrau-Unsichtbar immer pünktlich nach 3 oder 4 Wochen montags vorm Unterricht an und meldete sich für eine weitere Runde ab.
Dieses Vorgehen, das bis zum Halbjahresende andauerte, brachte das Lehrerkollegium, allen voran die Rektorin Frau L´école-c´est-moi zum Rotieren, denn die Klassenleiterstunden von Frau Mausgrau-Unsichtbar mussten schließlich „irgendwie oder auch nicht“ vertreten werden. „Irgendwie“: die Rektorin Frau L´école-c´est-moi übernahm Mathe und Deutsch, Sachkunde wurde von wechselnden Lehrerinnen (Lehrer gibt es an unserer Grundschule keine mehr) vertreten und die „Nebenfächer“ ereilte ein Nebenfach-Dasein; „oder auch nicht“ bedeutete, dass in der Zeit von Oktober bis Ende Januar über 40 Stunden ganz ausfielen.
„Irgendwie“ bedeutete aber auch, dass Deutsch und Sachkundearbeiten nach wie vor von Frau Mausgrau-Unsichtbar korrigiert wurden – war sie nicht eigentlich krank? Diese Korrekturumwege hatten den apparten Effekt, dass weder Schüler noch Eltern Rückfragemöglichkeiten zu den Arbeiten hatten, denn selbstverständlich bekamen wir bei dem zurückgezogenen Lebensstil von Frau Mausgrau-Unsichtbar nie eine Telefonnummer zu Gesicht, noch wussten wir, wo sie wohnt (wir wussten nur, nicht in unserem Ort, denn schließlich wurde sie in gesunden Zeiten ja immer 5 Minuten vor 8 Uhr 6 km vorm Orteingang gesichtet…). Der Matheunterricht verlief nun in einigermaßen geregelten Bahnen, der Deutschunterricht jedoch beschränkte sich häufig nur noch auf das Ausfüllen von Lückentexten – was meinem ohnehin schreibfaulen Sohnemann gut zu pass kam…
Während sich das Lehrervertretungskarussell in unserer Klasse lustig drehte (manchmal schwebte auch für kurze Zeit eine Lehrerin von außerhalb herein), wurden die Eltern – oder wenigstens Teile davon – zusehens nervöser, denn obwohl Stundenausfall und Lückentexte für die süßen Kleinen vordergründig ganz erholsam waren, schaffen es Eltern eher, über den Tellerrand hinaus zu schauen und eventuelle Konsequenzen zu erahnen. Darüber jedenfalls hätten wir gerne einmal mit der Rektorin Frau L´école-c´est-moi geredet – oder doch wenigstens eine Information in Form eines Elternbriefes erhalten. Aber nichts dergleichen geschah. Eigentlich hatte sich die Schule am Anfang des Schuljahres hehre Regeln gegeben, eine Erziehungsvereinbarung gar, in der u.a. steht: „Wir, die Schule, informieren die Eltern über a. unterrichtliche Inhalte, b. die Lernentwicklung und Persönlichkeitsentwicklung c. wichtige schulische Ereignisse“. Mhm, ist so eine Situation ein „wichtiges schulisches Ereignis“? Aber wenn es doch nun überhaupt nichts zu berichten gibt, weil Frau L´école-c´est-moi ja selbst nichts Neues von der vorgeordneten Schulbehörde zu berichten weiß? Klar, dann hüllt man sich in Schweigen, denn die Lehrerschaft tut ihr Bestes, um die Kids „bei ihrer umfassenden Entwicklung, ihren individuellen Fähigkeiten und ihrem natürlichen Wissensdrang zu unterstützen“ (Erziehungsvertrag, Punkt 2).
Nichtsdestotrotz, das beharrliche Schweigen von Seiten der Schule veranlasste besorgte Eltern, bei der Schulbehörde unbedarft anzurufen, um sich selbst zu erkundigen, wie es mit der Klasse weitergehe. Zunächst einmal bekamen diese zu hören, dass nichts, aber auch gar nichts zu machen sei, um einen normalen Schulalltag für die Kinder herbei zu führen, solange Frau Mausgrau-Unsichtbar nur so kurzfristige Krankmeldungen bringe, wenigstens bis zum neuen Schulhalbjahr; da würden dann die Karten neu gemischt, was die Besetzung von Stellen betrifft. Auch die Rektorin Frau L´école-c´est-moi hat wohl versucht, eine Anordnung zu bewirken, dass Frau Mausgrau-Unsichtbar bei einem Amtsarzt vorstellig werden müsse – angeblich keinerlei Handhabe…
So gingen die Wochen ins Land und einen Monat vor den Weihnachtsferien wehte uns das Vertretungskarusell eine blutjunge Lehrerin - Frau Rühr-mich-nicht-an - herein, die immerhin bis zu den Weihnachtsferien Sachkunde unterrichten sollte. Das hätte man ja auch fast als Verbesserung ansehen können, wäre Frau Rühr-mich-nicht-an nicht unglaublich schüchtern, beinahe verängstigt gewesen und hätte sie bereits eine fertige Ausbildung gehabt… Sie befand sich stattdessen in der Warteschleife zum Referendariat, und sollte, von der Schulbehörde geschickt, mal fix bei uns aushelfen. Unsere Kinder hat es gefreut, denn in den Stunden von Frau Rühr-mich-nicht-an bestimmten sie, wo es langging, die Phonzahl war so hoch wie in den Pausen – was will man als Schüler mehr?
Webkatalog
2007-06-23
6. Pädagogische Sternstunden und vertretungstechnische Meisterleistungen – Prolog
Prolog
Die 2. Klasse näherte sich ihrem Ende – die Kids hatten in den ersten beiden Jahren eine neue, junge, sehr engagierte Lehrerin, die viele Erwartungen übertraf. Die Klasse zeichnete sich durch gutes Sozialverhalten, wie durch ein hohes Leistungsniveau aus, was Eltern, die bereits ältere Kinder durch diese Grundschule schleusten, staunend zur Kenntnis nahmen.
Insgesamt wurden die Kinder gut auf die die dritte Klasse, in der es endlich Noten geben würde, vorbereitet (schon allein deshalb, weil die Lehrerin der ersten zwei Jahre nie einen Zweifel an der Benotung ließ, auch wenn es offiziell noch keine gab). Jeder wusste etwa, wo er steht, wo Stärken und Schwächen liegen, wo Defizite anzugehen sind...
Webkatalog
2007-06-12
4. G 8 - nein, nicht DER Gipfel... G 8 ist der Gipfel
Just während wir einerseits an der "Grundschulfront" kämpften, wurde unser Mittlerer in das achtjährige Gymnasium eingeschult, bei dem es gleich mit zwei Fremdsprachen auf einmal losgeht.
Die Möglichkeiten hierfür an unserer Schule sind Englisch / Latein, oder Englisch /Französisch.
Auf einem Elternabend im Vorfeld wollte ich wissen, mit welchem "pädagogischen Konzept" man zwei lebende Sprachen, die so unterschiedlich gesprochen und geschrieben werden wie Englisch und Französisch unterrichten wird...?
Nur der Hinweis, dass die Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass dies funktioniere, kam als Antwort. Nach dem Elternabend kamen einige Fachlehrer auf mich zu und sagten hinter vorgehaltener Hand, sie hätten keine Ahnung, wie das klappen könne, sie wüssten noch überhaupt nicht, was auf sie zukäme, es sei doch vermutlich sinnvoller, Englisch und Latein zu wählen...
Für diese Kombination entschieden wir uns dann auch.
Kurz gesagt, die 5. Klasse wurde für unseren Mittleren (und z.T. auch für uns...) zur "Sprachenhölle"... 30 Vokabeln Englisch, dazu 10 in Latein waren durchaus keine Seltenheit!
Zum einen gab es für Latein und Englisch keine Lehrbücher, die für das achtjährige Gymnasium geschrieben waren. Die Lateinlehrerin sagte mir auch ohne Umschweife, dass sie den gleichen Stoff den Schülern beibringen müsse, nur dass sie eben statt 6 nur noch 4 Stunden zur Verfügung habe. Ah ja! So war das also mit dem G 8 gemeint! Wo will man bei Sprachen auch den Lehrstoff entrümpeln? Soll man ein paar Deklinationen oder Zeiten o.ä. weglassen?
Die (alten) Englischbücher wurden schulintern gekürzt; das bedeutete aber natürlich nicht, dass sich Grammatik oder Vokabeln verringerten, sondern die spielerischen Elemente (die letztlich der Vertiefung dienen), sollen nun weggelassen werden.
Die Vertiefung erledigen ab sofort die Eltern!!!
Nach allgemeinem Aufstöhnen der 5.Klässer wurde eine Umfrage in den einzelnen Klassen durchgeführt mit dem Ergebnis, dass (inklusive Schulweg) die 5.Klässer eine durchschnittliche Wochenbelastung von 47 Stunden haben, der durchschnittliche Einsatz der Eltern pro Woche betrug 4,5 Stunden. Je nach Klassenarbeitssituation konnte sich dieses Pensum erheblich erhöhen...
Psychosomatische Auffälligkeiten der Schüler waren nicht unüblich.
Wir haben in unserer Klasse die Erfahrung gemacht, ohne Eltern, die den 5.Klässern helfen, die Stofffülle in Häppchen zu servieren, die abhören, die sich Gedanken um Fragestellungen für die nächste Arbeit machen etc. läuft gar nichts! Pisa wird hier komplett bestätigt, denn Kinder aus sog. "bildungsfernem Elternhaus" haben schlichtweg keine Chance mehr!
Außerdem ist die durch das G8 auch die schulartdurchlässige Orientierungsstufe abgeschafft, denn ein Wechsel von der Realschule auf Gymnasium nach der 6. Klasse wird unmöglich.
Das alles heißt: Aussortiert wird nach 4. Klasse, keine Chance für Spätzünder oder Kinder ohne elterliche Unterstützung, und für die Eltern: reduziert Eure Arbeit, damit Ihr in der Lage seid, Eure Sprößlinge so lange zu unterstützen, bis sie "auf der richtigen Spur sind"...
Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, wird deutlich, dass die "Bildungsschere" immer weiter aufgeht! In "meinem" Gymnasium waren hauptsächlich "Arbeiterkinder"; die meisten unserer Eltern hatten weder Zeit, noch Geld, noch Voraussetzungen, uns großartig zu unterstützen - und wir haben es auch so geschafft! Heute wäre das undenkbar!
Und auch alle die, die nicht aufs Gymnasium gingen (und das waren "zu meiner Zeit" noch genügend, auch v.a. Hauptschüler) konnten mit ihrem Abschluss einen "ordentlichen Beruf" erlernen, eine Weiterbildung anstreben, hatten aber auf alle Fälle einen brauchbaren Abschluss inklusive der entscheidenten Grundkenntnisse in Mathe und Deutsch!
Wie kam es zu dieser eklatanten Schieflage während der letzten 25 Jahre???
Bildungsgerechtigkeit
Gymnasium - Schüler und Eltern überfordert
Elternumfrage zeigt wachsende Belastung der Familien durch achtjähriges Gymnasium
Webkatalog