2008-02-28
Was hilft überforderten Schülern?
http://www.focus.de/schule/schule/bildungspolitik/g8_aid_236904.html
„Eltern müssen Halbwissen ausbaden“
Von FOCUS-Schule-Autorin Nina Meckel
http://www.focus.de/schule/schule/bildungspolitik/bildungsdiskussion_aid_236956.html
2008-02-27
Offener Brief an Baden-Württembergs Kultusminister Rau
auch wenn ich davon ausgehe, dass Sie schon tausende von Zuschriften erhalten haben werden, möchte ich mich auf diese Weise an Sie wenden, in der Hoffnung, dass diese Zeilen Sie erreichen.
Als betroffene Mutter habe ich vorgestern interessiert die Landtagsdebatte über das Schulsystem in Baden-Württemberg verfolgt und war wirklich erstaunt, über die unterschiedlichen Realitäten, in denen wir leben.
Wir haben drei Söhne die auf ein Gymnasium gehen in den Klassenstufen 5,7 und 9 (also zwei Mal G8 und einmal G9).
Ohne mich loben zu wollen, muss ich feststellen, dass vielleicht alle unsere Kinder, zumindest aber die beiden Jüngeren nicht auf dem Gymnasium wären, hätte ich nicht unendlich viel Zeit in die "Beschulung" zuhause investiert - wäre ich z.B. alleinerziehend und / oder Vollzeit berufstätig.
Sie könnten jetzt natürlich denken: "Wenn sie so viel Zeit investieren musste, sind die Kinder offensichtlich nicht intelligent genug und sollten nicht auf das Gymnasium".
Das ist nun aber nicht der Fall: meine Jungs sind intelligent, nur nicht sehr strukturiert, wie die Mehrzahl der Jungs im Vergleich zu den Mädchen.
Leider kann schon nicht mehr in der Grundschule auf individuelle Förderung eingegangen werden, so dass Kinder, die nicht "stromlinienförmig" sind, werden sie nicht von zuhause aus gefördert, keine Chance haben auf eine Gymnasialempfehlung. Ich kann Ihnen ziemlich sicher im ersten Elternabend der ersten Klasse, wenn ich die Elternschaft sehe, bereits sagen, welche Kinder am Ende der vierten Klasse eine "Bildungschance" haben und welche nicht. Und nicht etwa deshalb weil Letztere weniger intelligent wären als der Rest der Klasse, sondern weil das Elternhaus sie nicht unterstützen kann oder will.
Hat nun ein Kind tatsächlich nach einer stressigen 4. Klasse, in der bei vielen Schüler/innen bereits heftig in Nachhilfe investiert wird (soweit der Geldbeutel es hergibt), die Gymnasialempfehlung erhalten, so fragen sich - insb. Alleinerziehende, aber auch immer mehr Eltern, die keine akademische Ausbildung haben oder beide berufstätig sind, ob sie ihr Kind auf das Gymnasium schicken - weil sie - die Eltern - nicht wissen, ob sie genügend Zeit oder Geld oder Grips haben, um ihre Kinder so unterstützen zu können, dass sie das Gymnasium schaffen...
Und diese Eltern stellen sich zu Recht diese Frage!
In der 5. Klasse unseres 2. Sohnes haben die Elternsprecher eine Umfrage durchgeführt, bei der ein täglicher Elterneinsatz von 30 - 60 Minuten festgestellt wurde; vor Klassenarbeiten potenziert sich dieser Aufwand!
Insbesondere die Sprachen machen den Kleinen das Leben schwer. Bei uns fängt man nach wie vor mit 2 Fremdsprachen (Englisch/ Latein oder Englisch Französisch) an. Viele Eltern wählen die Kombination Englisch / Latein, da bei Latein der Transfer des Schreibens wegfällt.
Während unser 7. Klässer im G 8 noch mit dem Lateinbuch für das G9 arbeitet(e), hat unser 5. Klässer ein neues, auf das G8 zugeschnittenes Lateinbuch. Dort durften die lieben Kleinen sich in der 2. Lektion bereits mit 3 Konjugationen und 5 Deklinationen beschäftigen; die Texte waren ab der 2. Lektion länger als die seines 2 Jahre älteren Bruder...
Auf dem 1. Elternabend schimpfte ein Vater, dass für dieses Unterrichtswerk wohl als Minimalvoraussetzung das kleine Latinum eines Elternteil vonnöten sei, während sich ein paar Eltern verzweifelt als "Nichtlateiner" outeten...
Es trifft an unserer Schule (die nicht als Eliteschule gilt) tatsächlich zu, dass oft wenigstens ein Elternteil studiert hat, dass es wenig Kinder aus "bildungsfernen" Schichten gibt - die sind nämlich bis zum diesem Zeitpunkt schon aussortiert.
Wenn Sie nun gestern wieder betonten, dass das baden-württembergische Schulsystem durchlässig sei, dann muss ich Sie fragen, in welche Richtung?
Es ist wohl wahr, dass die Kinder ganz schnell vom Gymnasium auf die Realschule wechseln können - egal in welcher Klassenstufe, doch ein Wechsel von der Realschule auf das Gymnasium ist, einmal ins dreigliedrige Schulsystem einsortiert - dank G8 - erst nach der 10 Klasse wieder möglich und dann sinnvollerweise nur auf ein technisches- oder Wirtschaftsgymnasium, was bedeutet, dass wir wieder bei 13 Jahren bis zum Abitur sind...
Der bereits anglaufene Trend, Kinder mit Gymnasialempfehlung eher auf die Realschule zu schicken, ihnen mehr Kindheit und den Eltern mehr Zeit zu lassen, wird sich drastisch verstärken!
Das G8 hat die Milieufrage im Hinblick auf Bildungskarrieren extrem zugespitzt!!!
Jetzt frage ich Sie: Brauchen wir schon allein durch die demografische Entwicklung nicht jetzt schon händeringend möglichst viele gut ausgebildete junge Menschen? Warum stellen Sie dann mit dem G8 (so wie es momentan läuft) die Weichen in die Richtung, dass hauptsächlich Kinder der Bildungsbürger an dieser Schullaufbahn partiziperen können? Und wenn Sie mir entgegnen: "Die anderen können ja über die Realschulschule und Aufbaugymnasien auch zum Abitur kommen" - dann frage ich Sie: Wenn hier ein Jahr Schulzeit länger in Kauf genommen wird, wozu dann an den Gymnasien die Reduzierung von 9 auf 8 Jahren?
Das G8, wie ich es momentan in BA-WÜ erlebe, ist weder Kindern, noch Lehrern noch Eltern in dieser Form zuzumuten:
Die Lehrer, v.a. in den Sprachen, kürzen den Stoff um die vertiefenden Elemente, die Eltern versuchen am Nachmittag, am Wochenende und in den Ferien die Vertiefung, die in der Schule nur noch sehr bedingt stattfindet, zu leisten, und die Schüler haben letztlich überhaupt keine Freiräume mehr, in denen sie wirkliche Freizeit haben, in der z.B. soziales Lernen / sozialer Umgang eingeübt werden könnte...
Wenn Sie dieses vermaledeite eine Jahr einsparen wollen (wozu das gut sein soll, ist ohnehin nicht klar), dann müssen Sie auch die Voraussetzungen schaffen:
Das G8 ist dann nur in einer Ganztagesschule möglich, in der durch mehr Unterricht auch wieder Vertiefung stattfindet, in der die Kinder, wenn sie nachmittags nach Hause kommen, größtenteils fertig sind mit der Hausarbeit, in der Eltern entlastet werden und in der v.a. auch Schülern eine Chance gegeben wird, deren Eltern das "Coachingprogramm" nicht leisten können!
Das kostet Geld und spart nicht etwa Geld ein, wie bei einem Jahr Schulverkürzung ohne Nachmittagsunterricht! Aber: von nix kommt nix!!!
Ich war eigentlich immer gegen die Verlängerung der Grundschule, Gesamtschulen und "Gleichmacherei" in der Schulpolitik, aber die Praxis vor Ort lehrte mich umzudenken:
Ich finde die Chancenlosigkeit breiter Bevölkerungsschichten auf gute Bildung UNERTRÄGLICH!!!
Es kann doch nicht sein, dass Bildungschancen von Elternbildung, Elterngeldbeutel und Elternzeit abhängen! Aber genau so ist die Praxis!!!
Wir als Gesellschaft können es uns nicht leisten, so viel "Bildungs-Potential" nicht optimal zu fördern! Um das Überleben unserer (alternden) Gesellschaft zu sichern, müsste der größte Ausgabentopf für Bildung sein.
Und wenn wir alle Bevölkerungsschichten erreichen wollen, geht das nur über Ganztagsschulen! Auch diese lehnte ich immer grundsätzlich ab, aber ich kann meine Augen nicht verschließen, vor Eltern, die ihrer Erziehungsaufgabe nicht gerecht werden, die über Arbeitslosigkeit und Hartz IV keinem geregelten Tagesablauf mehr nachgehen können, vor überforderten Müttern, deren Partner sich längst absetzten und die jetzt mit ihren Kindern schauen müssen, wie sie klarkommen... Wenn sich für deren Kinder etwas verbessern soll, sie nicht in der gleichen Misere wie ihre Eltern verharren sollen, dann müssen in einem strukturierten Tagesablauf die Chance auf Bildung haben - und das geht nur mit Ganztagsschulen!
Aus diesen Erfahrungen heraus, die unendlich viele Eltern auch machen, aus der Verantwortung heraus, auch bildungsferne Schichten an Bildung teilnehmen zu lassen, aus der Sorge heraus, wie eine alternde Gesellschaft aussehen wird, die nicht genügend Junge,v.a. gut ausgebildete Junge hat, die die Arbeit übernehmen sollen, bitte ich Sie und die CDU in Baden Württemberg als regierende Kraft, Ihre Einstellungen zur Bildungspolitik zu überdenken und zu ändern!
2008-02-13
Kinderarbeit
Von Susanne Gaschke
Neoliberalismus im Klassenzimmer: Lange galt die Schulzeitverkürzung an den Gymnasien als Wunderwaffe der Bildungspolitik. Jetzt erweist sie sich als pädagogisches Desaster. Die Schüler leiden, die Eltern sind entsetzt, und die Lehrer ringen mit unbrauchbaren Lehrplänen.
Zwanzig Minuten Mittagspause, die trostlose Kantine ist mehr schlecht als recht in zwei ehemalige Klassenzimmer gestopft, schnell essen, sonst reicht die Zeit nicht, aber viel Zeit möchte auf die geschmacksfreie Aluschalenkost, die totgekochten Nudeln und halbrohen Kartoffeln auch niemand verwenden; rasch mit dem Kohlehydratmatsch im Magen zurück in den Physikraum, biorhythmischer Tiefpunkt, noch zwei Unterrichtsstunden oder gar drei, um 16 Uhr kann der Heimweg angetreten werden, die Hausaufgaben dauern bei konzentrierter Erledigung bis etwa 18 Uhr: So sieht heute der Schultag an vielen Gymnasien aus, die die Schulzeit von neun auf acht Jahre bis zum Abitur verkürzt haben...
http://www.zeit.de/2008/07/Gymnasialzeit?page=all
Erfahrungen lassen schlimmes befürchten
In den kommenden Jahren wird das achtjährige Gymnasium in zahlreichen Bundesländern Realität. Hamburg hat die Schul-Reform schon umgesetzt - von einem erfolgreichen Konzept kann aber nicht die Rede sein. Die Kritk kommt von allen Seiten.Nur wenige Hamburger Lehrer wollen über das Thema reden. "Ich habe es mir anders überlegt", sagt eine junge Lehrkraft, mit Hinweis über ihre berufliche Zukunft. Andere verweigern ganz die Auskunft. Sie alle fürchten Ärger mit der Behörde für Bildung und Sport. Und dabei geht es um eine der bedeutendsten Schulreformen der Nachkriegszeit: das achtjährige Gymnasium. Man spricht von einem Maulkorberlass, und dass der Senat kritische Stimmen aus den eigenen Schulkollegien fürchte. Eines wird dadurch umso deutlicher - die G8-Reform ist ein heißes Eisen. Ob nun für Behörden, Lehrer, Eltern oder Schüler.
http://www.stern.de/politik/deutschland/603866.html?nv=ct_mt
G8-Reform - Wir brauchen echte Ganztagsschulen
Das Kürzel "G8" steht nicht nur für Proteste am Zaun, sondern auch für eine völlig verfehlte Schulpolitik, die Schüler in verkürzter Zeit unter Hochdruck zum Abitur prügelt. Das G8-Abitur ist vielleicht das Beste für die Wirtschaft, für Schüler und Eltern aber sicher nicht.
G8 - bei dem Kürzel denken Schüler, Eltern und Lehrer nicht an Proteste am Zaun. Sie denken bei G8 an Schulstress und Leistungsterror. Und sie sind mindestens so wütend auf die Politiker wie die Demonstranten. Denn Schüler, Eltern und Lehrer leiden unter der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur. Deshalb sprach TV-Talkmaster Reinhold Beckmann mit seinem Aufschrei: "Unsere Kinder sind völlig überfordert und total k.o.", so vielen aus der Seele...
http://www.stern.de/politik/deutschland/609777.html
"Das Gymnasium ist noch selektiver geworden"
06.02.2008
(bikl) Als "unausgegorene und völlig verhunzte Reform" hat heute die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) die Verkürzung der Gymnasialzeit auf 8 Jahre (G8) in den meisten Bundesländern kritisiert. Angesichts der ernüchternden PISA-Ergebnisse hätten die Kultusminister Handlungsfähigkeit zeigen wollen, die bei PISA deutlich gewordenen Probleme seien aber durch die unausgegorene Reform noch größer geworden...