2007-06-24

8. Akt II a

Akt II - a
Frau Mausgrau-Unsichtbar wurde immer nur für maximal 3 - 4 Wochen krankgeschrieben. Auch ich weiß, dass ein Arzt heutzutage angehalten ist nur für kurze Zeit eine Krankschreibung auszustellen, doch das hat zur Folge, dass keine „feste Ersatzlehrerin“ angefordert, bzw. eingestellt werden kann. Ehrlich gesagt, kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, dass man mit dieser Diagnose über Monate hinweg nur für 3-4 Wochen eine Krankschreibung erhalten kann, wo doch klar ist, dass Schonung, Reha und Ähnliches anstehen…??!! Jedenfalls rief Frau Mausgrau-Unsichtbar immer pünktlich nach 3 oder 4 Wochen montags vorm Unterricht an und meldete sich für eine weitere Runde ab.

Dieses Vorgehen, das bis zum Halbjahresende andauerte, brachte das Lehrerkollegium, allen voran die Rektorin Frau L´école-c´est-moi zum Rotieren, denn die Klassenleiterstunden von Frau Mausgrau-Unsichtbar mussten schließlich „irgendwie oder auch nicht“ vertreten werden. „Irgendwie“: die Rektorin Frau L´école-c´est-moi übernahm Mathe und Deutsch, Sachkunde wurde von wechselnden Lehrerinnen (Lehrer gibt es an unserer Grundschule keine mehr) vertreten und die „Nebenfächer“ ereilte ein Nebenfach-Dasein; „oder auch nicht“ bedeutete, dass in der Zeit von Oktober bis Ende Januar über 40 Stunden ganz ausfielen.
„Irgendwie“ bedeutete aber auch, dass Deutsch und Sachkundearbeiten nach wie vor von Frau Mausgrau-Unsichtbar korrigiert wurden – war sie nicht eigentlich krank? Diese Korrekturumwege hatten den apparten Effekt, dass weder Schüler noch Eltern Rückfragemöglichkeiten zu den Arbeiten hatten, denn selbstverständlich bekamen wir bei dem zurückgezogenen Lebensstil von Frau Mausgrau-Unsichtbar nie eine Telefonnummer zu Gesicht, noch wussten wir, wo sie wohnt (wir wussten nur, nicht in unserem Ort, denn schließlich wurde sie in gesunden Zeiten ja immer 5 Minuten vor 8 Uhr 6 km vorm Orteingang gesichtet…). Der Matheunterricht verlief nun in einigermaßen geregelten Bahnen, der Deutschunterricht jedoch beschränkte sich häufig nur noch auf das Ausfüllen von Lückentexten – was meinem ohnehin schreibfaulen Sohnemann gut zu pass kam…

Während sich das Lehrervertretungskarussell in unserer Klasse lustig drehte (manchmal schwebte auch für kurze Zeit eine Lehrerin von außerhalb herein), wurden die Eltern – oder wenigstens Teile davon – zusehens nervöser, denn obwohl Stundenausfall und Lückentexte für die süßen Kleinen vordergründig ganz erholsam waren, schaffen es Eltern eher, über den Tellerrand hinaus zu schauen und eventuelle Konsequenzen zu erahnen. Darüber jedenfalls hätten wir gerne einmal mit der Rektorin Frau L´école-c´est-moi geredet – oder doch wenigstens eine Information in Form eines Elternbriefes erhalten. Aber nichts dergleichen geschah. Eigentlich hatte sich die Schule am Anfang des Schuljahres hehre Regeln gegeben, eine Erziehungsvereinbarung gar, in der u.a. steht: „Wir, die Schule, informieren die Eltern über a. unterrichtliche Inhalte, b. die Lernentwicklung und Persönlichkeitsentwicklung c. wichtige schulische Ereignisse“. Mhm, ist so eine Situation ein „wichtiges schulisches Ereignis“? Aber wenn es doch nun überhaupt nichts zu berichten gibt, weil Frau L´école-c´est-moi ja selbst nichts Neues von der vorgeordneten Schulbehörde zu berichten weiß? Klar, dann hüllt man sich in Schweigen, denn die Lehrerschaft tut ihr Bestes, um die Kids „bei ihrer umfassenden Entwicklung, ihren individuellen Fähigkeiten und ihrem natürlichen Wissensdrang zu unterstützen“ (Erziehungsvertrag, Punkt 2).


Nichtsdestotrotz, das beharrliche Schweigen von Seiten der Schule veranlasste besorgte Eltern, bei der Schulbehörde unbedarft anzurufen, um sich selbst zu erkundigen, wie es mit der Klasse weitergehe. Zunächst einmal bekamen diese zu hören, dass nichts, aber auch gar nichts zu machen sei, um einen normalen Schulalltag für die Kinder herbei zu führen, solange Frau Mausgrau-Unsichtbar nur so kurzfristige Krankmeldungen bringe, wenigstens bis zum neuen Schulhalbjahr; da würden dann die Karten neu gemischt, was die Besetzung von Stellen betrifft. Auch die Rektorin Frau L´école-c´est-moi hat wohl versucht, eine Anordnung zu bewirken, dass Frau Mausgrau-Unsichtbar bei einem Amtsarzt vorstellig werden müsse – angeblich keinerlei Handhabe…

So gingen die Wochen ins Land und einen Monat vor den Weihnachtsferien wehte uns das Vertretungskarusell eine blutjunge Lehrerin - Frau Rühr-mich-nicht-an - herein, die immerhin bis zu den Weihnachtsferien Sachkunde unterrichten sollte. Das hätte man ja auch fast als Verbesserung ansehen können, wäre Frau Rühr-mich-nicht-an nicht unglaublich schüchtern, beinahe verängstigt gewesen und hätte sie bereits eine fertige Ausbildung gehabt… Sie befand sich stattdessen in der Warteschleife zum Referendariat, und sollte, von der Schulbehörde geschickt, mal fix bei uns aushelfen. Unsere Kinder hat es gefreut, denn in den Stunden von Frau Rühr-mich-nicht-an bestimmten sie, wo es langging, die Phonzahl war so hoch wie in den Pausen – was will man als Schüler mehr?

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