2007-06-27

11. Akt III - a

Pädagogische Sternstunden und vertretungstechnische Meisterleistungen - Akt III - a

Wie würden Sie den Satz „Wir haben eine Lehrerin für Ihre Klasse gefunden!“ verstehen? Nun, ich verstand ihn so, dass zumindest bis Schuljahresende, vielleicht sogar auch bis Ende der 4. Klasse eine Lehrerin gefunden wurde, die die Hauptfächer, sowie die Klassenleiteraufgaben, die durch den Ausfall von Frau Mausgrau-Unsichtbar vertreten oder nicht mehr wahrgenommen wurden, dafür zuständig sein würde. Denn Ähnliches hatte ich bei meinem Ältesten erlebt, bei dem in der 1. Klasse die Lehrerin wegen Krankheit ebenfalls nach den Herbstferien ausfiel, nach Chaos und jeder Menge neuer Feuerwehrlehrerinnen aber wenigstens ab dem neuen Halbjahr ein neues männliches(!) Exemplar von Lehrkörper die Klasse eineinhalb Jahre übernahm - und dann wieder ging, dorthin, wo er einen vollen Vertrag bekam…

Doch schon der erste Schultag des neuen Halbjahres riss all die, die Hoffnung auf ein einigermaßen „normales“ 2. Halbjahr hatten, aus ihren Träumen: Die neue Lehrerin war nur für 11 Stunden an unserer Schule, unterrichtete in unserer Klasse nur Deutsch und sollte mit der Rektorin zusammen Klassenleiterfunktionen übernehmen. Insgesamt hatten unsere Kinder 7 verschiedene Lehrerinnen, in jedem Fach eine andere und in Kunst zwei – wow das ist doch die beste Vorbereitung für Drittklässer auf die weiterführende Schule, nicht wahr?!

Doch wer war sie nun, diese neue Lehrerin, die uns die Schulbehörde schickte? Sie hieß Frau Nie-Nix-Gut, erschien nicht wesentlich älter als Frau Rühr-mich-nicht-an und wartete – ebenfalls wie diese - auf ihr Referendariat und besaß keinerlei pädagogisch-praktisches Handwerkszeug, dafür jedoch die untrügliche pädagogische Intuition, die Kinder mit „Lautstärke“ und Strafarbeiten zu motivieren… Mit Frau Nie-Nix-Gut hatten wir also – dank der Schulbehörde – den goldenen Griff getan!

Wie Sie vielleicht noch aus eigener Erfahrung wissen, werden neue Lehrer/innen erst einmal von den Kindern getestet, um herauszufinden, wo hier die Grenzen liegen – so auch bei Frau Nie-Nix-Gut.


Im Grenzen testen stellen sich normalerweise die Jungen als „beharrlicher“ heraus, während die Mädchen eher unauffälliger „aus der Tiefe des Raums heraus“ wirken. Das hatte schnell zur Folge, dass insbesondere verschiedene Jungs auf der „schwarzen Liste“ standen. Diese wurden regelmäßig mit Strafarbeiten bedacht, deren Schrift auch oft noch benotet wurde in einer Weise, dass es bei anderen Kindern im Vergleich als Schriftnoten Siebener, Achter und Neuner hätte geben müssen.

Es folgten auch Anrufe der Lehrerin (die selbst wiederum bei den Eltern nicht ihre Telefonnummer hinterließ) die z.B. zum Inhalt hatten: “Ihr Sohn schwätzt momentan sehr mit seinen Nachbarn, - ist sehr unaufmerksam, - macht seine Schulaufgaben unvollständig oder unordentlich –vielleicht könnten Sie ihm mal ins Gewissen reden“…
Wenn ich in solchen Fällen schlagfertiger wäre, hätte ich beim wiederholten Anruf wahrscheinlich geantwortet: „Mein Sohn hilft mir nicht nach meinen Vorstellungen bei der Haus- und Gartenarbeit – könnten Sie, Frau Nie-Nix-Gut, vielleicht mal mit ihm reden?“ – aber so was fällt mir leider erst immer hinterher ein...
Verflixt noch mal, es ist doch nicht mein Job, die ich sowieso Diktate, Aufsätze, kleines Einmaleins daheim in Häppchen serviere, in pädagoisch interessante Einheiten umzusetzen versuche, mich auch noch um den Unterricht zu kümmern, wenn es um solche berufsspezifischen Angelegenheiten geht!

Es stellte sich schnell heraus, dass Frau Nie-Nix-Gut außer Strafarbeiten und Schreien, Verbote keine Ideen hatte, wie sie mit der Klasse arbeiten konnte.
Bei einem solchen Unterrichtsstil teilt sich die Klasse erfahrungsgemäß in zwei Gruppen: die, die den Kopf einziehen und versuchen, möglichst unauffällig zu scheinen und diejenigen, die das nicht tun, weil sie sich nach kurzer Zeit ohnehin als Sündenböcke begreifen – und es dann sind und bleiben. Besonders auf Christoph hatte sich Frau Nie-Nix-Gut „eingeschossen“, ihn, der ein aufgeweckter freundlicher Junge (eben kein unauffälliges Mädchen) ist, bezeichnete Frau Nie-Nix-Gut der Mutter gegenüber als „verhaltensauffällig“...
Sowohl bei ihm, als auch bei den anderen „schwarzen Schafen“ hatte man den Eindruck, dass sich das Verhalten nicht nur in Strafarbeiten, sondern auch in den Noten niederschlug. Doch zu der inhaltlichen Seite des Unterrichts von Frau Nie-Nix-Gut komme ich später, hier erst mal noch ein Beispiel ihrer pädagogischen Qualitäten:

Die Klasse hatte zur 2. Stunde Schule, sollte in eben der 2. Stunde bei Frau Nie-Nix-Gut ein Diktat schreiben, ging – angeblich entgegen den Richtlinien – aber schon vor dem Klingeln in das Klassenzimmer. Dort spielten 6 Jungs und ein Mädchen – sicher entgegen den Richtlinien – Fußball. Es passierte nichts und irgendwann hallte ein Schrei „Sie kommt“ durch den Raum, alle setzten sich, ohne zu vergessen, den Ball vorher auf seinen Platz zu legen. Frau Nie-Nix-Gut schritt in das Klassenzimmer und jetzt hatten, wie das mittlerweile in der Klasse eingebürgert war,die Petzen ihren Auftritt und brachten das Fußballspielen bei Frau Nie-Nix-Gut an. „Wer war das“, fragte Frau Nie-Nix-Gut. Die 6 Jungs meldeten sich, das Mädchen nicht. „Das gibt eine saftige Strafarbeit“, sagte Frau Nie-Nix-Gut während sie die Namen der Kinder aufschrieb. Nach diesem Vorspiel folgte das Diktat – man kann sich ausmalen, wie das bei den Betroffenen ausfiel, aufgewühlt wie sie waren…
Nach dem Diktat meldeten sich Mitschüler und wiesen darauf hin, dass das eine Mädchen auch noch mitgemacht hatte. Das Mädchen jedoch leugnete standhaft und so entschied Frau Nie-Nix-Gut, dass die aufgeschriebenen Jungen, nicht aber das Mädchen, die Strafarbeit machen mussten – sie hat offensichtlich seherische Fähigkeiten, denn dabei war sie schließlich nicht.

Drei Dinge hat mein Sohn aus dieser Episode gelernt:
  • 1. Petzen ist gut, denn es macht dich beim Lehrer beliebt, lässt andere „alt“ aussehen und wird auch nicht bestraft.
  • 2. Lügen kann Vorteile mit sich bringen, denn wenn es gut geht, brauche ich das Verbockte nicht auszubaden.
  • 3. Mädchen werden sowieso anders behandelt als Jungs.

(LINK: Böse Buben, brave Mädchen)
Die Eltern der betroffenen Kinder waren sichtlich erbost über dieses Vorgehen, ließen diese dennoch die Strafarbeit schreiben (die benotet werden sollte), schrieben jeweils ihrerseits einen „Protestbrief“ – wir würden heute noch auf eine Reaktion warten, wenn wir nicht von uns aus zu Frau Nie-Nix-Gut gegangen wären – eigentlich doch ein Gebot des Anstands, sich mit den Eltern in Verbindung zu setzen – oder bin ich da angsichts der Jugend von Frau Nie-Nix-Gut von gestern?!



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